Dr. med. Peter Brauer
Polio-Viren befallen in ihrer endgültigen Manifestation mit medizinisch vordergründig relevanten Folgen das Nervensystem.
Polio-Virus-Infektions-Verläufe sind unter medizinisch relevanter neurologischer Schadenssetzung
- zu etwa 92 % inapparent (asymptomatisch, subklinisch),
- zu etwa 6 % abortiv,
- zu etwa 1 % aparalytisch,
- zu etwa 1 % paralytisch.
Poliobedingte neurologische Schäden sind aufgrund verminderter und vorgeschädigter neurologischer Substanz strukturell und funktionell pathologisch belastungsgemindert bzw. grenzwertig belastungsresistent..
Polio-Spätfolgen beginnen in der Regel nach Überschreiten der Kompensationsgrenze infolge relativer wie absoluter neurologischer Funktions- und Strukturüberlastung subklinisch.
Polio-Spätfolgen sind in Abhängigkeit von Belastungsstärke und Dauer das Ergebnis eines überlastungsbedingt neurologisch degenerativen Prozesses.
Die neurologische Lokalisation von Polio-Schäden ist nach Größe und Verteilung regellos und mit klinischer wie paraklinischer Diagnostik so gut wie nicht detektierbar.
Covid-19-Viren befallen in ihrer endgültigen Manifestation regellos multiple Organe einschließlich Nervensystem mit derzeit nicht abschätzbaren Langzeitfolgen.
Corona-Virus-Infektions-Verläufe reichen unter medizinisch relevanter Schadenssetzung in abschließend zahlenmäßig noch nicht bekanntem Umfang von inapparenter über abortive bis zu schwerwiegendster Ausprägung.
Covid-19 verfügt nach derzeitigem Erkenntnisstand über ein erhebliches Aggressionspotenzial.
In Analogie zum Post-Polio-Syndrom ist nach Corona-Virus-Infektionen als Spätfolge ein Post-Covid-Syndrom mit allerdings schwerwiegenderer Ausprägung zu erwarten.
In der Risiko-Abschätzung einer Covid-19-Infektion für Polio-Überlebende macht die überstandene Polio-Erkrankung sie wegen der poliobedingten neurologischen Vorschäden alleine zu Hoch–Risiko-Patienten, potenziert durch ein höheres Lebensalter ab etwa 35 Jahre nach der Erkrankung als Zeitpunkt des im Durchschnitt ersten Auftretens von Symptomen des Post-Polio-Syndroms. Mit dem Beginn der Polio-Spätfolge werden die Polio-Überleben unabhängig vom Lebensalter zu Höchst-Risiko-Patienten, da eine Covid-19-Infektion auf eine bereits dekompensierende neurologische Funktion und Struktur sowie alle davon abhängigen und in Mitleidenschaft gezogenen Körperfunktionen, häufig besonders der Atmung, mit dem Risiko einer beschleunigten bis tödlichen Dekompensation trifft. Damit verschmelzen Polio-Spätfolgen und Covid-19-Folgen zu einem lebensbedrohenden Folgekomplex ohne ein gesondert differenzierbares Post-Covid-Syndrom.
09.01.2021
Artikel erschienen in PEa 84/85 Polio-Initiative Europa
Siehe auch „Newsletter 05/2021 Polio-Überlebende und Corona-Impfung“ bei Polio-Initiative Europa