Beckenbodenprobleme bei PPS

Vortrag von Frau Prof. Dr. Reisenauer, Uni-Frauenklinik Tübingen

Die Beckenbodenmuskulatur sorgt für den muskulären Verschluss des Beckens. Gemeinsam mit dem Zwerchfell und den Bauchmuskeln umspannt sie den Bauchinhalt. Der Beckenboden ist ein Geflecht aus zahlreichen Muskeln sowie Bindegewebe und sitzt zwischen Schambein, Steißbein sowie den beiden Sitzbeinhöckern. Durchbrochen wird die Beckenbodenmuskulatur bei den Frauen von der Harnröhre, der Scheide und dem After. Sie sichert die Lage der Bauch- und Beckenorgane und unterstützt den Verschluss von After und Harnröhre. Zudem hält sie dem hohen Druck stand, der unter anderem beim Husten und Lachen, beim Pressen beim Stuhlgang und bei körperlicher Belastung wie Heben schwerer Gegenstände entsteht.

Das PPS macht sich durch die fortschreitende Muskelschwäche im Bereich des Beckenbodens oder durch die neurologischen Auswirkungen auf die Blase bemerkbar. So kommt es gehäuft zu Harndrang, Blasenentleerungsstörungen oder Harnverhalten-erscheinungen. Verstärkt werden diese Beschwerden noch durch eine altersbedingte Blasensenkung bzw. die reflektorische Anspannung lässt im Alter nach.

Mittels Ultraschalls, Blasendruckmessungen zur Feststellung der Inkontinenzform, Tastuntersuchung (Anpassung des Beckenbodens an Anspannung, Spannunghalten, Entspannung) und Führen eines Blasentagebuches (Miktionstagebuch) werden die Grundlagen für eine individuelle Behandlung gelegt.

Therapieformen

Ist keine Anspannung des Beckenbodens möglich, dann hilft auch kein spezielles krankengymnastisches Beckenbodentraining bei Belastungsinkontinenz.

In diesem Fall kann man mit „Elektro-Stimulation“ und der „Biofeedback-Methode“ gute Erfolge erzielen. Bei der Elektro-Stimulation werden Reizstromimpulse mittels einer spezielle „Tamponelektrode“ über die Scheide an die Beckenmuskeln weitergegeben. (Bei einer Darminkontinenz wird dies entsprechend über den After eingeführt.) Durch die Reizstromimpulse ziehen sich die Beckenmuskeln zusammen. Es gibt mehrere Programme zur Auswahl. Mit speziellen Beckenbodentrainern, die zusätzlich eine transkutane (durch die Haut hindurch) elektrische Nervenstimulation (TENS) ermöglichen, können Frauen zwei Bereiche gleichzeitig trainieren. Dies wird regelmäßig 2 x am Tag a 15 min über 3 Monate lang gemacht. So wird der Anspannung- und Entspannungsmechanismus aktiviert. Dann trainiert man mit der Biofeedbackmethode diesen Vorgang des An- und Entspannens ohne Reizstrom zu erreichen.

Bei einer Harndranginkontinenz bzw. „einschießendem Harndrang“ mit neurogener Ursache muss die Reizstromfrequenz anders programmiert werden.

In beiden Fällen übernimmt die Kasse die Kosten für die Behandlung und zusätzlich für das Gerät. Man muss das Verfahren in bestimmten Abständen wiederholen.

Normalerweise erfolgt eine erste Einweisung in die Therapiemethode in der Klinik. Anschließend muss man dann regelmäßig zur Kontrolle in die ambulante Sprechstunde der Klinik. Das Gerät speichert die Nutzung. So kann der Arzt die regelmäßige Anwendung überprüfen.

Allerdings wirkt das Beckenbodentraining bei zunehmendem Alter immer weniger, weil man im Laufe der Zeit die quergestreiften Muskelfasern abnehmen. So ist es wichtig, dass man schon früh mit dem Beckenbodentraining beginnt.

Weitere Behandlungsmöglichkeiten bei einer Dranginkontinenz:

Reizstromimpulse kann man auch über den Schienbeinnerv verabreichen. Bei der sogenannten perkutanen tibialen Nervenstimulation (PTNS) wird das Verhalten von Organen oder Körperfunktionen über den Schienbeinnerv beeinflusst.

Hierzu wird eine Klebeelektrode im Bereich des Innenknöchels befestigt und Reizstromimpulse (Einstellung: angenehmes Kribbeln) an den Schienbeinnerv einmal am Tag gegeben. Dieser leitet die Impulse über das Rückenmark an das Gehirn weiter. „Dieser Nerv wird in gleicher Höhe im Rückenmark (S2 – S4) wie das sakrale Miktionszentrum (koordiniert die konkrete Ausführung der Blasenkontraktion) „umgeschaltet“. Daraus resultiert eine Hemmung der überaktiven parasympathischen Nerven und der Harndrang unterbleibt. Diese Behandlungsmethode muss man ein Leben lang beibehalten (Erhaltungstherapie). Mit der PTNS sind Erfolgsraten von bis zu 80 % in der Behandlung der überaktiven Blase möglich. Sie kann im ambulanten Setting durchgeführt werden. Es treten selten Nebenwirkungen auf. Diese sind normalerweise vorübergehend.“

Es ist auch möglich einmal in der Woche in der Klinik eine Nadel setzen zu lassen, um so den Schienbeinnerv zu aktivieren.

Bei einer Entleerungsstörung der Blase (Restharn, „Harnsperre“) kann es häufig zu einer Blasenentzündung kommen. Dies kann man mit einer Ultraschalluntersuchung überprüfen. Dann kann das Einsetzen eines Blasenschrittmachers sinnvoll sein. Hierzu wird in einer OP eine Elektrode über das Kreuzbein in der Nähe der Blasen- und Beckenbodennerven gesetzt. Die Elektrode wird dann mit einem Schrittmacher verbunden, der sich während einer Testphase außerhalb am Körper befindet und später bei Erfolg im Po-Bereich eingesetzt wird. Über eine APP auf einem Spezialhandy kann der Schrittmacher programmiert werden. Infolge des abgegebenen Reizstromes kann der Blasennerv entspannt und die abgegebene Blasenmenge gesteigert werden. Der Blasenschrittmacher ist MRT-tauglich. Inzwischen gibt es auch wiederaufladbare Produkte (hält 14 Jahre) oder dieser wird nach 7 bis 8 Jahren in einer OP ausgetauscht.

Es können gleichzeitig mehrere Schrittmacher im Körper sein, diese müssen jedoch aufeinander abgestimmt werden. Die Pulsierung spürt man nicht. Wichtig ist, dass man einen „Schrittmacherpass“ immer mit sich führt, um auf Flughäfen und Kaufhäuser keine Probleme zu bekommen.

Weitere ergänzende Behandlungsmethoden

Bei einer Belastungsinkontinenz kann man auch unter örtlicher Betäubung die Harnröhre mit einem Band besser verankern, sodass kein Harn mehr beim Husten austritt. Auch ein Blasenvorfall lässt sich durch eine einfache OP oder mit Hilfe von Hilfsmitteln (z. B. dem Tragen eines Silikonwürfels in der Scheide) beheben.

Bei einer Dranginkontinenz erhöhen Medikamente (u. a. entsprechende Wirkstoffpflaster) das Blasenvolumen. Aber auch Botoxspritzen, die bei einer Blasenspiegelung in die Blasenwand verabreicht werden, führen nach 14 Tagen zu einer länger anhaltenden Unterdrückung (bis zu 1 Jahr) des Harndrangs. Die Kosten übernimmt die Krankenkasse.

Für einen Termin in der Ambulanten Sprechstunde in einer Klinik benötigt man die Überweisung durch einen Frauenarzt oder einem Urologen. Die Wartezeit kann bis zu einem halben Jahr betragen.

Quellen:

gesundheitsinformtion.de/wie-funktioniert-ein-beckenbodentraining

Flexikon.doccheck.com/de/Beckenbodenmuskulatur

Medizinspektrum.de/produkt/ elektrischer-beckenbodentrainer

Urologie Amriswil Bilder zur perkutanen tibialen Nervenstimulation

G. Ryu „Die perkutane tibiale Nervenstimulation, Kantonsspital Aarau“ 2017