Corona, Corona… Corona

Hans-Joachim Wöbbeking

Von morgens bis abends hören wir das Stichwort CORONA. Fast genau ein Jahr ist es nun her, dass wir in Nachrichten, Unterhaltungssendungen und aktuellen Filmen das Thema auf irgendeine Weise hören können, sollen oder müssen. Soll ich mich impfen lassen?

Was macht der Impfstoff mit mir?

Wie ist der Wissensstand über die Sicherheit der Impfstoffe …

Tatsächlich interessiert uns natürlich das Thema auch ganz persönlich, weil wir durch die Polio-Erkrankung vorgeschädigt sind.

Zurzeit überschlagen sich die Ereignisse und somit auch die Nachrichten.

Mutationen ist ein zusätzliches Stichwort.

Impfstoffe: Mit großer Geschwindigkeit werden neue Impfstoffe durch die Zulassungsverfahren und diverse Administrationen gepeitscht.

Vektorimpfstoffe, mRNA-Impfstoffe???? Unterschiedliche Impfintervalle, je nach Impfstoff. Unterschiedliche Lagerungs- und Transportanforderungen.

Eine neue und sehr gute Nachricht erreicht uns jetzt in diesen Tagen: Die Aktivitäten der Betroffenen und verschiedener Verbände zeigt Wirkung. Man geht von der strengen Vorgehensweise anhand der Prioritätenliste des Robert-Koch-Institutes ab und wird nun Einzelentscheidungen je nach Indikation und Schwere der Erkrankung möglich machen.

In der Ausgabe 2/2021 Epidemiologisches Bulletin der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut wurde die Impfempfehlung um einen wichtigen Punkt erweitert:

„Bei der Priorisierung innerhalb der COVID-19- Impfempfehlung der STIKO können nicht alle Krankheitsbilder oder Impfindikationen berücksichtigt werden. Deshalb sind Einzelfallentscheidungen möglich. Es obliegt den für die Impfung Verantwortlichen, Personen, die nicht explizit genannt sind, in die jeweilige Priorisierungskategorie einzuordnen. Dies betrifft z.B. Personen mit seltenen, schweren Vorerkrankungen, für die bisher zwar keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz bzgl. des Verlaufes einer COVID-19-Erkrankung vorliegt, für die aber ein erhöhtes Risiko angenommen werden kann.“

Fragen, die immer wieder gestellt werden:

  1. Gehören Polio-Patienten zur Risikogruppe?
  2. Welcher Gruppe der Prioritätenliste des RKI kann ich zugeordnet werden?
  3. Welche Regelungen gibt es in meinem Bundesland?
  4. Auf welche Nebenwirkungen muss ich mich vorbereiten?
  5. Wo finde ich seriöse Informationen?

Diese Fragen sind berechtigt. Gibt es jedoch auf jede Frage eine klare Ja/Nein Antwort? Selbst die zurzeit viel zitierten Wissenschaftler sind nicht in der Lage EINE Antwort für jede Situation und jeden Fragesteller zu finden.

Zur Frage 1: Ja, die Polio-Betroffenen gehören zur Risikogruppe, weil sie zur großen Gruppe der Neuromuskulären Erkrankungen gehören. Weil direkt in den Muskel geimpft wird machen sich viele Polio-Betroffene Sorgen wegen möglicher Nebenwirkungen. Die Wissenschaftler beruhigen uns jedoch. Von den derzeit zur Verfügung stehenden und genehmigten Impfstoffen geht keine Gefahr für unsere Gesundheit aus.

Die Menschen sind jedoch unterschiedlich. Jeder Mensch hat auch eine ganz individuelle Krankheitsgeschichte. Sehr unterschiedliche Comorbidität oder Begleiterkrankungen machen eine klare Antwort nahezu unmöglich. Deshalb sollten wir bei der Vorbesprechung zur Impfung jede Frage stellen, die uns bewegt und auch darauf bestehen, eine verständliche Antwort zu erhalten.

Zur Frage 2: Die Prioritätenliste des RKI ist Bestandteil der Coronavirus-Impfverordnung des Gesundheitsministeriums. Wenn man sich die Prioritätenliste des RKI (Robert-Koch-Institut) ansieht, klingt dies sehr plausibel. Vor dem Hintergrund der zunächst geringen Verfügbarkeit des Impfstoffs und der Impfung von 80 Millionen Menschen innerhalb eines kurzen Zeitraumes benötigen wir eine Priorisierung. Es geht offensichtlich nicht in erster Linie um das Risiko einer individuellen Ansteckung, sondern um das Risiko eines schweren oder tödlichen Verlaufs bei einer Infektion mit Covid19. Für ältere Leute ist Corona gefährlicher als für jüngere Menschen und für Personen mit diversen Vorerkrankungen.

Deshalb sollen ältere Menschen über 80 Jahren zuerst geimpft werden. Dann kommen noch die Personen, die sich besonders leicht anstecken und besonders wichtig für die Infrastruktur sind: Pflegepersonal, Ärztinnen, Polizistinnen.

Die zuletzt gültige Liste sieht wie folgt aus:

  • BewohnerInnen von Senioren- und Altenpflegeheimen
  • Personen im Alter von ≥ 80 Jahren
  • Personal mit besonders hohem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen (z.B. in Notaufnahmen, in der medizinischen Betreuung von COVID-19-PatientInnen)
  • Personal in medizinischen Einrichtungen mit engem Kontakt zu vulnerablen Gruppen (z.B. in der Hämatoonkologie oder Transplantationsmedizin)
  • Pflegepersonal in der ambulanten und stationären Altenpflege
  • Andere Tätige in Senioren- und Altenpflegeheimen mit Kontakt zu den BewohnerInnen.

Allerdings wurde aktuell die Möglichkeit einer Einzelfallentscheidung eingefügt.

Zur Frage 3: Impfen ist in unserem föderalen System grundsätzlich Ländersache. Deshalb sollte sich jeder Betroffene vor Ort über die individuellen Bestimmungen und Regelungen informieren. Es gibt viele Informationsquellen. Die jeweils aktuellsten Hinweise findet man auf den Internet-Seiten der Bundesregierung (https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/corona-bundeslaender-1745198).

Zur Frage 4: Grundsätzlich entstehen bei der Gabe von Medikamenten Nebenwirkungen. Somit natürlich auch bei der Gabe von Impfstoffen. Weil das normalerweise sehr zeitaufwändige Zulassungsverfahren von Impfstoffen im aktuellen Fall extrem verkürzt wurde, liegen naturgemäß nur wenige Erfahrungsberichte vor. Insbesondere kann auf spezielle Fragen zu einer Indikation z.B. des Post-Polio-Syndroms keine befriedigende Antwort erwartet werden. Auch hier gilt: Hartnäckig den Impfarzt befragen und möglicherweise auch in letzter Minute von einer Impfung absehen, wenn die Antwort nicht zufriedenstellend gegeben werden kann. Auch hier kann man sich natürlich vorher ausführlich informieren. Sehr gut verständlich sind die ständig aktualisierten Hinweise auf den Seiten des Robert-Koch-Institutes: (https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.html)

Zur Frage 5: Jeder muss sich nach seinen Möglichkeiten selbst informieren. Allerdings sollte die Information fachlich kompetent und individuell nach den Bedürfnissen des Impflings gegeben werden. Das Internet ist eine gute Informationsquelle, ersetzt aber auf keinen Fall das persönliche Gespräch mit dem Impfarzt.

Das bedeutet: Eine Zusicherung zur risikofreien Impfung kann und wird niemand geben! Einem Verband, wie dem Bundesverband Polio bleibt also nur die Möglichkeit auf seriöse Quellen hinzuweisen und soweit möglich, über den aktuellen Stand der Wissenschaft zu informieren.

Eine gute Quelle ist die BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) und deren Internet-Seite: Der Patientenservice 116117.de oder die Internetseite der DGM (Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V.) dgm.org. Auch die „Aktion Mensch“ informiert auf ihrer Internetseite seriös über das Thema Corona. (https://www.aktion-mensch.de/corona-infoseite.html)

Auf der Internetseite der DGM finden wir mehrere Mitschnitte von Interviews und Gesprächsrunden in verständlicher Sprache.

Ausschnitte aus einem Talk mit Prof. Dr. med. Jan Rupp, UKSH, Campus Lübeck

Frage: Wie funktioniert die Abstandsregel z.B. bei der Physiotherapie? Auch hier gelten die ganz

normalen Abstands-Regeln. Das Prinzip gilt auch beim Friseur und anderen Dienstleistern. Grundvoraussetzung ist, dass der Patient und der Therapeut keine Krankheits-Symptome wie Schnupfen oder Husten zeigen. Sollte die Gesundheits-Frage nicht klar beantwortet werden, sollte ein Arzt hinzugezogen werden. Eine Kunststoffscheibe (Face-shield) bringt keine zusätzliche Sicherheit.

Die Dauer ist in der Regel länger als 15 Minuten. Deshalb ist hier besondere Vorsicht angesagt. Die Mund-Nase-Bedeckung ist kein Selbstschutz, sondern es wird eher unser Gegenüber geschützt. Wenn jemand im Raum war und gehustet hat, ist die Raumluft kontaminiert. Tatsächlich besteht in diesem Fall eine hohe Infektionsgefahr. Deshalb muss der Raum nach jeder Behandlung gut gelüftet werden. …auch bei leichter Erkältung sollten wir die Therapie an diesem Tag NICHT durchführen.

Frage: Wie ist es mit dem Austausch von Gegenständen, mit Handschuhen oder Ähnlichem nach jeder Behandlung? Auf jeden Fall sollten alle Gegenstände, die direkt mit dem Patienten in Kontakt kommen ausgetauscht werden.

…Kontakt in Geschäften mit Plexiglas Scheibe … wenn der Kontakt nicht nach den Abstandsregeln eingehalten werden kann, sollte man zusätzlich auf einem qualitativ optimalen Mund-Nase-Schutz bestehen.

Hier noch einige Fragen, die von Betroffenen einer Expertengruppe im Rahmen einer DGM-Veranstaltung gestellt wurden.

Expertise von Frau Prof. Dr. Simone Spuler Charitè Berlin.

SarsCov 2 hat zu erheblichen Veränderungen des täglichen Lebens geführt. Eine schwere Erkrankung kann die Muskulatur schädigen.

Welche Erkenntnisse gibt es über die Sicherheit des Impfstoffs?

Die Behörden und die Hersteller haben sehr intensiv zusammen gearbeitet. Langzeitfolgen sind auch bei anderen Impfstoffen in der Regel nicht bekannt.

Gibt es spezielle Erfahrungen bei der Impfung von Muskelerkrankten?

Abgeschlagen sein, Kopfschmerzen, oder der Effekt, dass man seinen Arm nicht mehr so bewegen kann… Das sind ganz normale unerwünschte Nebenwirkungen, wie sie bei fast jeder Impfung auftreten können.

Mögliche Wechselwirkungen:

Gibt es Informationen, dass bei Patienten, die ganz bestimmte Medikamente einnehmen, von einer Impfung Abstand nehmen sollten?

Diese Frage müssen Sie bitte mit Ihrem Arzt persönlich klären.

Bei Patienten, die „Macumar“ oder einen ähnlichen Wirkstoff zur Blutverdünnung nehmen, sollte nicht wie üblich intramuskulär, sondern ausnahmsweise subkutan geimpft werden.

Wenn jemand schon eine covid 19 Infektion erlebt hat, sollte er sich dennoch impfen lassen.

Ja, unbedingt!

Soll ich mich als Muskelerkrankter gegen COVID 19 impfen lassen?

Viele haben Sorge. Was macht der Impfstoff mit mir, kann es durch die Injektion in den betroffenen Muskel zu unerwünschten Folgen kommen?

Der Muskel wird extrem gut durchblutet, er bietet sich generell als Ziel einer Impfung an. Es gibt die Alternative die Impfungen in das Unterhaut-Fettgewebe zu geben … die Impfung in einen Muskel hat sich als sehr sinnvoll erwiesen. Es gibt keine zusätzliche Gefahr, auch wenn die Impfung in einen vorgeschädigten Muskel injiziert wird.

Eine Impfung für diesen Personenkreis ist unbedingt empfehlenswert.

Muss ich spezielle Nebenwirkungen bei Patienten mit Muskelerkrankungen erwarten?

Es sind keine dramatischen unerwünschten Nebenwirkungen zu erwarten.

Gibt es Patienten, wo es durch die Impfung zu Risiken kommen kann?

Wenn es zu einer Erkrankung kommt kann sie durch eine Impfung wesentlich milder verlaufen.

Muskelpatienten sollten verstehen, dass sie zu der Risikogruppe gehören!

Bei irgendwelchen Unsicherheiten sollten Sie auf jeden Fall Ihren Arzt konsultieren.

Ich bin Insulinpflichtig, Diabetiker Typ 2. Gibt es ein Risiko durch die Impfung?

Damit ist eher nicht zu rechnen.

Muss ich mich auch nach erfolgter Impfung weiter schützen?

Auf jeden Fall! Mundschutz, Kontaktbeschränkung usw. weiterhin konsequent beibehalten.

Kann der Impfstoff eine Verschlechterung der Muskelkrankheit bewirken?

Nein!

Wie kann eine Impfung auf nicht Invasiv beatmete Patienten wirken? Gibt es da Schwierigkeiten?

Nein, es liegen keine Berichte über Probleme vor.

Ist eine Titerbestimmung vor der Impfung sinnvoll?

Nein.

Wohin sollte die Impfung gegeben werden?

Po, Oberschenkel oder Oberarm … Dies ist eine Frage bei ausgeprägtem Muskelschwund… muss individuell am Patienten entschieden werden.

Sehr seltene Neuromuskuläre Erkrankung, ist eine Impfung sinnvoll?

… impfen eher ja!

Ich habe im April Covid 19 durchlebt… trotzdem Impfen?

Ja!

Patienten mit Schlafapnoe, sollten sie sich impfen lassen?

Ja!

Es gab noch viele andere Fragen in diesem Beitrag und es gibt auch noch weitere sehr gute Aufzeichnungen von ähnlichen Veranstaltungen auf dem Kanal YouTube. Der Vorteil solcher Veranstaltungen ist, dass die Referenten oder Experten sich vorstellen und man somit die Seriosität der Beiträge überprüfen kann.

Dies war ein kleiner Beitrag zum Thema Corona Impfung. Ich habe mich sehr bemüht, in diesem Rahmen eine vernünftige Handreichung für Polio-Betroffene zu erstellen. Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Äußerungen dürfen nicht als medizinische Anleitung missverstanden werden. Es steht mir nicht zu, einen solchen Rat zu erteilen.

Liebe/r LeserIn, bitte wenden sie sich bei medizinischen Fragen unbedingt an Ihren Arzt. Weder ich noch der Bundesverband Polio oder die Redaktion der Polionachrichten kann und darf medizinische Anweisungen erteilen.

In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund!

Artikel erschienen in PEa 84/85, Polio-Initiative-Europa e.V.
und Polio-Nachrichten 1/2021, Bundesverband Poliomyelitis e.V.